Kinder im Netz

zurück Forschungsleitende Fragen und Hypothesen vor

Ausgehend von den zu Beginn dieses Kapitels aufgeführten Forschungsdefiziten lassen sich folgende Leitfragen und Hypothesen formulieren: (276)


Leitfrage 1: Ab welchem Alter nutzen Kinder das Internet überhaupt? Und wie intensiv ist die Nutzung in den verschiedenen Altersstufen?

Hypothese: Für jugendliche Internet-Nutzer hat die Untersuchung "Jugendliche und Multimedia" des Forschungsverbundes Südwest festgestellt: Das Interesse am Internet steigt mit zunehmendem Alter. Ich rechne damit, daß sich dieser Trend in der Altersgruppe der 6- bis 13jährigen wiederfindet.
Die meisten Kinder dürften mit acht Jahren zum ersten Mal in Kontakt mit dem Internet kommen, in einem Alter also, in dem sie über grundlegende Schreib- und Lesekenntnisse verfügen. Ich erwarte einen leichten Anstieg der Nutzungsintensität bei ca. elf Jahren, wenn die Kinder also in weiterführende Schulen kommen, die erheblich häufiger einen Internet-Anschluß haben als die Grundschulen.


Leitfrage 2: Mit welchen Diensten und Inhalten des Internet sind Kinder vertraut? Und welche davon erfreuen sich besonders großer Beliebtheit? Gibt es altersspezifische Unterschiede?

Hypothese: Je jünger die Kinder sind, desto häufiger haben sie Erfahrungen mit Diensten und Inhalten des Internet, die nur wenig Leseleistung erfordern. Im Vordergrund könnten Online-Spiele stehen sowie das Surfen im World Wide Web, verbunden mit Tätigkeiten wie dem Anschauen von Bildern und Videos sowie dem Anhören von Tondateien. Mit zunehmendem Alter nehmen E-Mails und das Chatten an Bedeutung zu.


Leitfrage 3: Welches ist der häufigste Zugangsort: die Schule oder ein PC, der zu Hause bzw. bei Freunden steht?

Hypothese: Kinder im Grundschulalter nutzen das Internet zumeist von zu Hause aus bzw. bei Freunden. Wenn die Kinder in weiterführende Schulen kommen, begeben sie sich tendenziell etwas häufiger vom Schul-PC aus auf die Datenautobahn. Allerdings habe ich bei Gesprächen mit zahlreichen Schülern und Lehrern an weiterführenden Schulen den Eindruck gewonnen, daß das Internet eher den höheren Klassen vorbehalten ist. (277) Deshalb wird sich - wenn überhaupt - nur ein leichtes Übergewicht der schulischen Online-Aktivitäten ergeben.


Leitfrage 4: In welchen Rezeptionssituationen nutzen Kinder das Internet? Sitzen die Eltern bzw. Lehrer mit am Bildschirm? Wird das Internet gemeinsam mit anderen Kindern genutzt?

Hypothese: Insbesondere jüngere Kinder werden bei Ausflügen ins Internet meistens von Erwachsenen begleitet. Ausdrücklich habe ich auch Kinder unter acht Jahren in den Adressatenkreis für die Umfrage einbezogen. Ich gehe davon aus, daß der überwiegende Teil dieser Kinder den Online-Fragebogen gemeinsam mit Lehrpersonen oder den Eltern durchgeht. (278)
Ältere Kinder hingegen dürften das Netz eher eigenständig nutzen und damit auch den Fragebogen ohne Unterstützung eines Erwachsenen ausfüllen. Es ist anzunehmen, daß Kinder in der Schule häufiger beaufsichtigt werden und Lehrer ihre Schüler insbesondere bei Nutzung des WWW lenken, beispielsweise durch vorgegebene Bookmarks.
Frühere Studien zur kindlichen Computernutzung haben gezeigt, daß Kinder häufig beim Spielen am Computer mit anderen Kindern vor dem Bildschirm sitzen. (279) Ich gehe davon aus, daß dies für die Nutzung des Inter-net auch zutrifft.
Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß sich die Frage nach der Rezeptionssituation letztlich mit der hier angewandten Methode einer schriftlichen Befragung nicht zweifelsfrei klären läßt. Zuverlässigere Methoden wären hier Medientagebücher, Beobachtungen und repräsentative Befragungen von Eltern und Lehrern. (280)


Leitfrage 5: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Nutzung des Internet?

Hypothese: Das Internet wird mehrheitlich von Männern genutzt. (281) Umso bemerkenswerter ist es, daß besonders bei jungen Nutzerinnen und Nutzern diese männliche Dominanz offenbar keine Rolle spielt. Jungen und Mädchen machen nach bisher vorliegenden Forschungsergebnissen in etwa gleicher Intensität von Online-Medien Gebrauch.
Ich gehe also davon aus, daß mindestens ebenso viele Mädchen an meiner Untersuchung teilnehmen wie Jungen. Eher marginal dürften auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede ausfallen hinsichtlich der Präferenzen für bestimmte Internet-Dienste. Die Untersuchung der amerikanischen Firma Jupiter Communications deutet leichte Unterschiede an: Mädchen wenden sich demnach tendenziell eher kooperativen Netz-Tätigkeiten zu (E-Mail, Chat). (282)



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zurück (276) Ich beziehe mich in der Folge mehrfach auf bislang vorliegende Forschungsergebnisse zur Verbreitung von Computern und Internet in Deutschland; vgl. hierzu die Kapitel 1.2. und 1.3.

 

zurück (277) Vgl. Gehle, Tobias: Buschfeuer im Klassenzimmer. Virtuelle Schulpartnerschaften bereichern den Unterricht und schaffen unmittelbare Lernerlebnisse. IN: Kölnische Rundschau vom 1.7.1997, Computer-Rubrik.

 

zurück (278) Schon allein aufgrund ihrer mangelnden Lesekenntnisse (vgl. Kapitel 1.3.3.1.) macht es kaum Sinn, Kinder unter acht Jahren mit der Online-Umfrage direkt ansprechen zu wollen. Falls Kinder in diesem Alter überhaupt den Fragebogen ausfüllen würden - so meine Annahme - dann allenfalls mit Unterstützung von Erwachsenen (Schmidtbauer und Löhr meinen, es sei offensichtlich, daß auch 8- und 9jährige noch bei ihren Online-Aktivitäten von den Eltern abhängig seien; vgl. Schmidtbauer, Michael/Löhr, Paul: Internet-Kompetenz für Kinder, a.a.O., S.5f.). Um aber Kinder unter acht Jahren nicht a priori als Teilnehmer der Online-Umfrage auszugrenzen, würde bei der Verbreitung des Teilnahmeaufrufes darauf zu achten sein, daß auch und besonders Eltern und Lehrer von sehr jungen Kindern angesprochen werden. Folglich müßten Hinweise auf die Umfrage-Aktion auch in themenverwandten Erwachsenen-Foren veröffentlicht und an Grundschulen geschickt werden. Dort würde ausdrücklich darauf hinzuweisen sein, daß Eltern bzw. Lehrer jüngeren Kindern beim Ausfüllen des Fragebogens möglichst helfen sollten.

 

zurück (279) Vgl. Kapitel 1.2.2.

 

zurück (280) Vgl. Kapitel 2.1.3.

 

zurück (281) Vgl. Kapitel 1.1.2.1.

 

zurück (282) Vgl. Kapitel 1.3.1.

© Tobias Gehle, 1998

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