Kinder im Netz

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Bis auf eine Ausnahme konnten sich die Kinder bei allen Fragen zweifelsfrei auf eine Antwort festlegen. Die Kategorien können somit als trennscharf betrachtet werden. Unpraktikabel war jedoch die feine Differenzierung zwischen den verschiedenen Antwortmöglichkeiten bei der Frage, ob ein Erwachsener während der Fragebogen-Beantwortung zuschaut (ursprünglich waren vier mögliche Antworten vorgesehen: ein Lehrer schaut zu - ein Elternteil schaut zu - ein anderer Erwachsener bzw. ältere Geschwister schauen zu - kein Erwachsener schaut zu). Die Kinder hatten Schwierigkeiten, sich für eine Antwortvorgabe zu entscheiden. Die Aufgabe wurde zusätzlich erschwert durch die verhältnismäßig ausführlichen Erläuterungstexte bei dieser Frage. Insbesondere die leseschwachen Kinder der Testgruppen hatten sichtlich Mühe, alle Texte durchzugehen und sich dann die passende Antwort auszusuchen. In der endgültigen Version wurde deshalb auf die Unterscheidung zwischen verschiedenen erwachsenen Zuschauern verzichtet.

Beim zweiten Umfrageteil fiel der einseitige Antwortstil der Kinder auf. Mit Ausnahme von zwei Mädchen fanden sämtliche Probanden alle ihnen bekannten Online-Anwendungen "toll". Ein Kind gab während des Tests folgenden Kommentar ab: "Mir macht alles Spaß mit Internet, weil ich nicht so oft am Computer zu Hause bin. Deswegen bin ich mal ganz froh, wenn ich öfters hier (in der Schule; T.G.) rangehen kann." Die Beobachtung, daß die Kinder bei den Bewertungsskalen stets dieselbe Antwort-Alternative wählten ("finde ich toll"), bestätigt die Erfahrungen aus früheren Befragungen von Kindern, die insbesondere bei jüngeren Respondenten einen extremen Antwortstil konstatierten. (309)
Die Verfahrensweise, den Kindern im zweiten Teil der Befragung durch konkrete Beispiele einen Anknüpfungspunkt für eigene Internet-Erfahrungen zu geben, hat sich bewährt. Sofern den Kindern die jeweiligen Internet-Anwendungen bekannt waren, zitierten einige spontan ähnliche Angebote und Nutzungsarten, die sie bei Ausflügen in die Online-Welt kennengelernt hatten. Einige Probanden schilderten einzelne Angebote sehr detailliert, andere erzählten von Situationen, die sich bei der Nutzung einzelner Internet-Dienste ergeben hatten (beispielsweise beim Chatten). Sofern die Kinder ihnen bekannte Internet-Angebote von sich aus nicht anführten, wurden sie danach gefragt. In den meisten Fällen konnten die Kinder dann konkrete Beispiele nennen.
Diese Verhaltensweisen mögen als Indiz dafür gelten, daß die Kinder ihre eigenen Online-Erfahrungen real beurteilten und nicht etwa im Sinne sozialer Erwünschtheit ihren Kenntnisstand überschätzten. (310) Ein Problem ergab sich jedoch bei der Frage nach den Online-Spielen: Hier nannte ein Junge den Matheblaster als Beispiel für ein Internet-Spiel. Dieses Lernprogramm, das Grundrechenarten einüben helfen soll, wird jedoch offline gespielt. Das Mißverständnis klärte sich auf, als ich nach dem Test im Gespräch mit dem Klassenlehrer über diese Fehleinschätzung diskutierte. Er erklärte mir, der besagte Junge habe das Spieleprogramm via Internet zugeschickt bekommen, als Attachment, angehängt an eine E-Mail. Er habe das Programm dann lokal auf seinem Computer installiert und offline gespielt.
Dieses Beispiel deutet an, daß Kinder bei Spieleprogrammen Schwierigkeiten haben, zwischen On- und Offline-Varianten zu unterscheiden. (311) Um Mißverständnissen möglichst vorzubeugen, wurde der Fragebogen durch den Hinweis ergänzt, daß beim Spielen im Internet der Computer ständig mit dem Internet verbunden sein muß.
Auch bei der Frage nach Tönen und Musik im Internet ließen die Äußerungen von zwei Kindern erkennen, daß sie nicht zwischen On- und Offline-Anwendungen differenzierten. Diesem Umstand ist bei der Bewertung der Umfrage-Ergebnisse Rechnung zu tragen.



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zurück (309) Vgl. Kapitel 2.1.3.

 

zurück (310) Als einziges Kind stellte der siebenjährige Junge keine Verbindung zwischen den von mir zitierten Beispielen und den eigenen Online-Erfahrungen her. Diese Beobachtung bestätigt wiederum die These, daß die Fähigkeit zur Medienreflektion bei Kindern unter acht Jahren noch nicht ganz ausgebildet ist. (vgl. Kapitel 2.1.3.). Sie bestärkte mich auch in der Auffassung, daß Kinder dieses Alters zwar in den Adressatenkreis der Online-Umfrage "Kinder im Netz" einzubeziehen seien. Bei der Auswertung würde jedoch besonders darauf zu achten sein, ob die Respondenten in dieser Altersklasse den Fragebogen gemeinsam mit einem Erwachsenen ausgefüllt haben oder nicht. Daraus würden sich am ehesten Rückschlüsse ziehen lassen auf die Gültigkeit der Selbsteinschätzungen (vgl. Kapitel 2.2.1.).

 

zurück (311) In die gleiche Richtung weisen die Äußerung eines zehnjährigen Mädchens, das ich im Herbst 1997 während der Recherchen zu einem Internet-Beitrag für Lilipuz befragte. Auf meine Frage hin, was die Kinder schon alles im Internet gemacht hätten, erzählte das Mädchen von einem bekannten Computer-Spiel für Kinder, das jedoch ausschließlich auf CD-ROM zu beziehen ist. Ein Bezugspunkt zu Online-Anwendungen fehlte hier also gänzlich, anders als bei dem für die vorliegende Studie befragten Jungen.

© Tobias Gehle, 1998

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