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Gestaltung, Navigation und technische Aufbereitung
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Auch wenn die Fragen offenkundig verständlich formuliert waren - einigen Kindern
der ersten beiden Testgruppen bereitete die neuartige Befragungsmethode vereinzelt
trotzdem Schwierigkeiten. Als Gründe dafür konnten Defizite in der gestalterischen
Aufbereitung ausgemacht werden.
Zumindest beim ersten Teil des Fragebogens stockten einige Kinder. Dies betraf
ausschließlich jene Fragen, bei denen der gesamte Inhalt der Seite nicht
mit einem Blick überschaubar war, die Kinder also scrollen mußten, um auch
die textlichen Erläuterungen zu den grafisch dargestellten Antwortalternativen lesen
zu können. In der ersten Testversion standen diese textlichen Erläuterungen unter
den grafischen Symbolen, was zur Folge hatte, daß sie bei der Mehrzahl der
Seiten nicht sofort sichtbar waren. Ich habe sie dann über den Grafiken
plaziert, um sicherzustellen, daß die Kinder sie unmittelbar mit der Frage
in Verbindung setzen können. (315)
An vier weiteren Stellen erschlossen sich einigen Kindern die nötigen Interaktionen
nicht unmittelbar. Eine erste Hürde war die Einstiegsseite. Hier klickten
bis auf zwei Kinder alle zunächst einmal auf den Pfeil mit der Aufschrift "Kinder"
und erst nach einer kurzen Pause auf den rechts daneben plazierten Knopf.
Aus diesem Grund wurde in der endgültigen Fragebogen-Version auch der Pfeil
mit der Startseite der eigentlichen Umfrage verlinkt.
Auch auf der Seite, wo die Kinder zunächst einmal ihren Namen eingeben mußten,
damit sie auf der sich anschließenden Seite "persönlich angesprochen" werden
konnten, hatten einige Kinder Schwierigkeiten. Ihnen war nicht klar, daß
sie zunächst mit der Maus in das Eingabefeld klicken mußten, um ihren Namen
eintippen zu können. Folglich wurde diese Seite mit einem entsprechenden Hinweis versehen.
Drei Kinder der ersten beiden Testgruppen brachten bei der Frage nach
dem Alter die einzelnen Schaltflächen nur nach längerem Zögern in Verbindung mit
ihrem eigenen Alter. In zwei Fällen mußte ich erklären, was zu tun sei.
In der endgültigen Version des Fragebogens wurde folglich ein Hinweis untergebracht,
wie die Kinder die Frage nach dem Alter zu beantworten haben. Da keiner der
Probanden Schwierigkeiten mit der Frage nach dem Geschlecht hatte, wurde ferner diese
Frage vorgezogen, um den Kindern einen möglichst leichten Einstieg zu verschaffen.
Als besonders problematisch erwies sich die Frage, was die Kinder tun, wenn
sie etwas im Internet nicht verstehen. Bis auf ein einziges Kind kamen alle
Probanden an dieser Stelle nicht ohne Hilfe weiter. Die Kinder ließen sich von
dem als blinkende Grafik in die Seite integrierten Fehlermeldung des Browsers
"Internet Explorer" irritieren. Diese Fehlermeldung sollte illustrieren,
auf welche Hindernisse Internet-Nutzer stoßen können (vgl. Abbildung 2.3 auf
der nächsten Seite). Die Kinder klickten auf die Schaltfläche "O.K.", aber nichts
passierte. Erst als ich ihnen erklärte, daß dies keine "echte" Fehlermeldung sei,
konnten die Kinder die Frage beantworten. In der endgültigen Version des
Fragebogens wurde deshalb auf die fingierte Fehlermeldung verzichtet.
Abb. 2.3: Fast alle Kinder der Testgruppe ließen sich von der fingierten
Fehlermeldung des Browsers "Internet Explorer" irritieren. In der endgültigen
Version des Fragebogens wurde deshalb auf diese Illustration verzichtet.
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Von diesen Defiziten abgesehen erschloß sich allen Kindern, durch
welche Interaktion mit dem Computer, sprich durch welche mit der Maus durchzuführende
Operationen sie den Computer zum Aufruf einer neuen Seite zu bewegen hatten. (316)
Als besonders hilfreich dabei erwies sich die visuelle Unterstützung der einzelnen
Antwortoptionen. Bei zwei Fragen trat ganz offenkundig zutage, daß die Grafiken
ihren Zweck erfüllten: Die Frage nach dem Geschlecht beantworteten zwei Probanden
unmittelbar, nachdem die Seite komplett geladen war. Das geschah so schnell,
daß sie bei ihrem langsamen Lesetempo unmöglich die Frageformulierung
verinnerlicht haben konnten. Bei der Frage nach dem aktuellen Standort klickten
mehrere Kinder der ersten beiden Testgruppen gezielt auf die Tafel, ohne die
unter den Grafiken stehenden Texte gelesen zu haben. Denn diese waren ohne
Scrollen nicht sichtbar.
Um die Seiten in der Vertikale zu verkürzen und damit möglichst den
ganzen Seiteninhalt auf eine Bildschirmseite zu bekommen, wurde im ersten
Teil der Umfrage auch darauf verzichtet, den Kindern am oberen Bildschirm
mitzuteilen, an welcher Stelle des Fragebogens sie sich gerade befinden
(vgl. Abbildung 2.4). Ohnehin schien nur ein Junge diesem Hinweis Beachtung
zu schenken. Beim Aufruf jeder neuen Frage-Seite las er leise für sich den Text
"Du bist jetzt bei Frage...". Ein anderes Kind war offenbar eher irritiert
von diesem als Motivationshilfe gedachten Seitenkopf: Bei der Frage nach dem
Alter las er den Hinweis "Klicke auf einen Knopf", da die restlichen Grafiken der
Seite aber noch nicht geladen waren, drückte er nacheinander auf zwei der
numerierten Kreise, hielt dann einen Augenblick inne. Und erst einige Sekunden,
nachdem die Schaltflächen mit den Altersangaben auf dem Bildschirm erschienen waren,
fuhr er mit der Beantwortung der Fragen fort.
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Abb. 2.4: Bei der ursprünglichen Fragebogen-Version (oben) habe ich
die Kinder im ersten Teil der Umfrage darauf hingewiesen, wieviele Fragen
sie schon beantwortet und wieviele sie noch vor sich haben. Auf diesen Hinweis habe
ich später verzichtet (unten). Dadurch konnten die Umfrage-Seiten zudem in
der Vertikalen verkürzt werden.
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Die Kinder bewegten sich innerhalb der Seiten ausschließlich anhand des
Navigationskonzeptes der Umfrage, wählten also die grafischen Symbole an und
drückten zwischendurch nicht beispielsweise den Zurück-Button des Browsers.
Eine Ausnahme gab es jedoch: Ein Kind drückte an einer Stelle des Fragebogens die
rechte Maustaste und wählte dann aus einem am Bildschirm erscheinenden Auswahlmenü des
Browsers die Option "eine Seite zurückgehen" aus. Der Junge verfügte offenbar über
fundierte Software- und Internetkenntnisse und zudem über eine für dieses
Alter erstaunlich ausgereifte Problemlösungsstrategie. Er wandte nämlich die soeben
beschriebene Verfahrensweise an, als er bei der Frage mit der fingierten Fehlermeldung
des Internet-Explorers angelangt war. Er sah, daß er an dieser Stelle offenbar
nicht weiterkam und zog die "Notbremse", indem er zu dem Punkt zurückkehrte, von
dem aus er in die Sackgasse gelangt war.
Die Ladezeiten der Seiten erwiesen sich als ausreichend kurz. Die Kinder mußten
nie mehr als zehn Sekunden warten, bis die Fragen vollständig auf dem Bildschirm
erschienen waren. (317)
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Fußnoten |
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Benutzen Sie die
Buttons, um zum Text zurückzukehren.
(315)
Vgl. Abbildung 2.4 sowie die beiden Fragebogen-Versionen im Anhang.
Ich habe zwei grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen bei der Rezeption
der WWW-Seiten ausgemacht. Davon ausgehend können die Kinder in zwei Gruppen aufgeteilt
werden, die ich als die Klicker und die Scroller bezeichnen möchte. Der
Unterschied zwischen den beiden Gruppen fiel besonders bei den ersten beiden Tests
und dort im ersten Teil des Fragebogens ins Auge: Die Klicker - das waren die
meisten Kinder - neigten dazu, schnell auf die entsprechenden Antwort-Optionen zu
klicken, sofern sich ihnen die Frage und die zu ihrer Beantwortung nötige
Interaktion ohne weitere textuelle Erläuterung erschloß. In den Fällen aber,
wo die textuellen Hinweise (unter den Grafiken) nötig, aber wegen der Länge
der Seite nicht sofort sichtbar waren, kamen die Klicker erst nach einigem Überlegen
auf die Idee, den Scroll-Balken am rechten Bildschirmrand zu betätigen und sich
dadurch den Rest der Seite zu erschließen. Die Scroller hingegen gingen sehr
systematisch vor: Sie lasen zunächst den gesamten Text, blätterten um,
um sich den Rest der Seite anzuschauen, und wählten dann erst die entsprechende
Antwort-Alternative aus. Die Scroller lasen auch im zweiten Abschnitt des Fragebogens
alle Texte nebst Bildzeilen "von vorne bis hinten" durch, während die Klicker
sich offenbar (nach der Zeit zu urteilen, die sie mit den Seiten verbrachten) auf die
fett hervorgehobenen eigentlichen Fragen konzentrierten. Es liegt nahe, daß
diese Unterschiede in der Rezeptionsweise damit zusammenhängen, wie gut die Kinder
lesen konnten.
(316)
Auch hier machte allerdings der Siebenjährige eine Ausnahme.
(317)
Eine der beiden Schulen verfügte über einen schnellen ISDN-Anschluß, die andere
griff über ein langsames Modem auf das Internet zu, das am untersten Ende des
technischen Standards anzusiedeln ist (Übertragungsrate: 14.400 Baud). Trotzdem hielten
sich aufgrund der geringen Datenmengen in beiden Fällen die Übertragungszeiten in tolerablen
Grenzen.
© Tobias Gehle, 1998
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