Kinder im Netz

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Das Internet ist in Deutschland derzeit noch kein Kindermedium.

Zum einen gibt es verhältnismäßig wenige Nutzer zwischen sechs und 13 Jahren. Insbesondere Grundschüler sichtet man im Internet nur selten. Zum anderen trifft diese kleine Gruppe von Usern im Cyberspace zwar auf ein vielfältiges Angebot. Dieses ist jedoch sehr häufig nicht an den Bedürfnissen und Rezeptionsgewohnheiten der Zielgruppe ausgerichtet. Das wiederum hängt damit zusammen, daß sich vor allem Amateure ehrenamtlich für Kinder im Netz engagieren. Professionell aufbereitete Inhalte sind eher die Ausnahme denn die Regel.

Beispiel World Wide Web: Hier gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Kinder-Sites. Doch die meisten davon sind zwar für Kinder gedacht, aber nicht für Kinder gemacht.

Viele WWW-Angebote zeichnen sich durch Textlastigkeit aus und erlauben Kommunikation nur in eine Richtung. Die wenigsten bieten die Möglichkeit, aktiv in die Inhaltsgestaltung einzugreifen. Darauf aber kommt es den Kids offenbar vor allem an. Die Beispiele "Kindernetz" und "Fun Online" belegen dies. Auf diesen beiden Online-Spielplätzen tummeln sich mittlerweile mehrere tausend Kinder. Hier haben sie die Gelegenheit, ihre Meinungen einzubringen und sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Der Community-Gedanke scheint also ungemein wichtig zu sein. Das Internet wird von dieser Altersgruppe offenbar vor allem als partizipatives Medium und Kommunikationsplattform geschätzt.

Auch die Online-Umfrage "Kinder im Netz" hat gezeigt, daß die kommunikativen Qualitäten des Internet für die 6- bis 13jährigen von entscheidender Bedeutung sind. Die E-Mail rangiert auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Und viele Kinder haben zum Abschluß der Befragung im Webforum ihre Meinung kundgetan. Sieht man dieses letzte Ergebnis im Zusammenhang mit dem Erfolg von "Kindernetz" und "Fun Online", so scheint es für Kinder ganz besonders reizvoll zu sein, sich "öffentlichkeitswirksam" äußern zu können.

Es ist davon auszugehen, daß die Bedeutung des Internet für den kindlichen Medienalltag in dem Maße zunehmen wird, in dem das Medium auch die deutschen Familienhaushalte durchdringt. Momentan ist die Reichweite hier alles andere als enorm. Der Trend zur Konvergenz dürfte die Entwicklung allerdings beschleunigen: "Die von der Unterhaltungs- und Computerindustrie angestrebte Verbindung zwischen Computer und Fernseher wird zu einer breiteren Verteilung von Internet-Zugängen in der gesamten Bevölkerung führen. Daher ist damit zu rechnen, daß in den nächsten Jahren die Anzahl der Internet-Anschlüsse in den bisher nur sehr schwach durchdrungenen Schichten zunehmen wird." (432) Die wirklichkeitsnahe Echtzeit-Begegnung im Fernsehformat ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern technisch schon lange machbar. (433)

Wenn aber Computer und Fernsehen zu einer Kommunikationseinheit verschmelzen, dürften auch Kinder leichter Zugang zum Internet finden. Das heißt, daß sie dann mit allen Facetten des Mediums konfrontiert werden, zwangsläufig auch mit den weniger wünschenswerten. Beispiel Online-Werbung: Daß die deutsche Spielwarenindustrie, die sich bislang mit speziell auf Kinder zugeschnittenen WWW-Sites noch zurückhält, die Potentiale des Mediums früher oder später für sich entdecken und instrumentalisieren wird, steht außer Zweifel. Der Prozeß der Werberezeption und der eigentliche Kaufprozeß laufen dann quasi simultan ab. Deshalb ist es meines Erachtens besonders wichtig, die Kinder frühzeitig auf diese Entwicklung vorzubereiten. Das geht nicht, indem man das neue Medium in bewahrpädagogischer Manier ignoriert oder totschweigt.

Nicht zuletzt sind die Schulen gefordert - und zwar auch die Grundschulen.

Ich persönlich halte es für keine besonders gute Idee, die informationstechnische Grundbildung kategorisch aus den Klassen eins bis vier herauszuhalten, so wie es in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel weitestgehend gemacht wird. Vor dem sozio-ökonomischen Hintergrund ist es besonders wichtig, daß die Schule für einen Ausgleich sorgt. Denn das Internet ist eine Zukunftstechnologie, und die Fähigkeit zum kompetenten Umgang damit darf nicht von der Dicke des Geldbeutels abhängen. Online zu sein ist in Deutschland aber nunmal ein teures Vergnügen.

Denkbar wäre auch, daß sich öffentlich-rechtlich organisierte Institutionen intensiver im Netz engagieren - im Dienste der Medienkompetenz. Der Südwestrundfunk hat mit dem "Kindernetz" gezeigt, wie solch ein Engagement aussehen kann. Meines Erachtens ist es kein besonders abwegiger Gedanke, daß andere Rundfunkanstalten diesem Beispiel folgen. Die ARD-Sender könnten doch eigentlich ihre Kapazitäten bündeln und gemeinsam einen Kinderdienst etablieren. Dieser sollte den Kindern als Kommunikationsplattform dienen und an der Philosophie und den Programminhalten der Öffentlich-Rechtlichen ausgerichtete Bildungs- und Informationsangebote bereitstellen. Warum eigentlich nicht?



zurück Fußnoten

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zurück (432) Dittler, Ullrich: Computerspiele im Internet. IN: JMS-Report 4/1996, S.1f.

 

zurück (433) So hat Philips eine Settop-Box entwickelt, die Live-Video-Konferenzen und die Echtzeitbegegnung in 3D via Fernsehgerät ermöglicht; vgl. Bauer, Christian/Sperlich, Tom, a.a.O. Zu den verschiedenen Modellen der Integration des Internet in die TV-Technologie vgl. Internet-TV. IN: Internet Intern 4/1998 vom 19.2.1998. Online im Internet 1998. URL: http://www.intern.de/98/04/03.shtml [Stand 22.8.1998].

© Tobias Gehle, 1998

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